Am 26. April begann in der Türkei der Prozess gegen die feministische Aktivistin, Autorin und ehemalige HDP-Politikerin Gülfer Akkaya. Anlässlich des Austritts der Türkei aus der Istanbul-Konvention hatten sich SPD-Frauen mit Gülfer online getroffen, um darüber zu beraten, wie die Protestierenden unterstützt werden können und den Frauen im Land ihr Recht auf Schutz gegen Gewalt und Diskriminierung wiedergegeben wird. Sie betonte, wie wichtig eine klare Positionierung der Europäischen Union gegenüber Erdogan ist – wie auch die Information ALLER Frauen über ihre Menschenrechte.
Nun benötigt Gülfer Akkaya selbst Recht und Gerechtigkeit. Nachdem sie bereits im September 2020 für acht Tage festgenommen worden war, wird jetzt gegen sie und andere Aktivist*innen Anklage erhoben. Da die türkische Justiz alle Gründungsmitglieder der HDP und alle, die gegen Massaker wie z.B. in Kobane protestiert haben, pauschal unter Terrorismusverdacht stellt, ist nicht von einem fairen Prozess auszugehen.
(Hintergrund: Die HDP, „Demokratische Partei der Völker“, ist linksgerichtet und setzt sich für Minderheitenrechte ein. Mehrheitlich kurdisch geprägt, hatte sie in letzter Zeit große Wahlerfolge in der Türkei. Unter dem Vorwand einer Nähe zur PKK soll sie aktuell verboten werden; ihre Politiker*innen werden verfolgt, Amts- und Mandatsträger*innen abgesetzt. Als Schwesterpartei fordert die SPD die Freilassung inhaftierter HDP-Politiker*innen und die Wahrung der demokratischen Rechte der Opposition in der Türkei.)
1972 in einem kurdischen alevitischen Dorf geboren, studierte Gülfer Akkaya an der Istanbuler Mimar Sinan Universität Sozialanthropologie und legte ihren Master über eine Studie zur finanziellen Selbstständigkeit von Frauen ab. Gülfer ist seit 25 Jahren ununterbrochen innerhalb der feministischen Bewegung in der Türkei aktiv und öffentlich präsent. Sie schrieb zahlreiche Artikel für Print- und Online-Medien, insbesondere als Redakteurin für feministische Frauenmagazine.
Auch in mehreren europäischen Ländern hat sie zur Situation der Frauen geforscht und sich mit Aktivistinnen getroffen – in ihren eigenen Worten „tagsüber in den Straßen und nachts am Schreibtisch“. Insgesamt verfasste sie sechs Bücher, nahm an hunderten Symposien, Podiumsdiskussionen, Talkshows und anderen öffentlichen Formaten teil und begründete auch selbst mehrere feministische Gruppen und Plattformen.
Marginalisiert waren und sind Frauen wie Gülfer Akkaya in der Türkei nicht allein wegen ihres menschenrechtlichen und regierungskritischen Engagements, sondern auch aufgrund ihres alevitischen Glaubens und ihrer kurdischen Herkunft.
Die ASF (Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen) erklärt sich solidarisch mit den Aktivist*innen in der Türkei, der dortigen demokratischen Opposition und den Frauen, die für ihre Menschenrechte kämpfen. Erdogan darf die Istanbul-Konvention, die den Schutz von Frauen gegen geschlechtsspezifische Gewalt garantieren soll, nicht so einfach verlassen. Die AKP darf sich nicht so einfach eines unbequemen politischen Mitbewerbers entledigen. Deutschland und die EU dürfen in dieser Sache nicht schweigen – ungeachtet der Drohgebärden des türkischen Präsidenten.
Und auch die Zivilgesellschaft hierzulande ist gefordert. Das Kieler Frauenbündnis organisiert in Kooperation mit dem Referat für Gleichstellung Kiel, dem DGB und dem Jungen Frauenbündnis Kiel zum 11. Mai eine Solidaritätsaktion für die Frauen in der Türkei. Diese muss sich nach der aktuellen Pandemie-Situation richten – sollte aber weithin sichtbar sein. Bitte merkt euch, merken Sie sich diesen Termin vor!