Europawahl 2019 – Ergebnisse und Schnellanalysen auf Basis der Kurzfassung des Infratest-dimap-Berichts für die SPD

SPD nur auf Platz Drei
Die SPD fällt mit 15,8 Prozent auf einen Europawahltiefstand. Für die deutschen Sozialdemokraten reicht es erstmals bei bundesweiten Wahlen nicht zum zweiten Platz, sie liegen hinter den Grünen auf Platz drei. Zur Europawahl von vor fünf Jahren gibt die Partei 11,4 Punkte ab. In absoluten Zahlen kommt die SPD auf 5.914.187 Stimmen, 2.089.441 weniger als 2014. Ihre relativ gesehen besten Europawahlergebnisse erzielt die SPD in Bremen, im Saarland und in Rheinland-Pfalz. Schwerer tut sie sich insbesondere in Sachsen und Bayern, wo sie einstellig abschließt. In Sachsen liegt sie lediglich auf Platz 5 hinter AfD, CDU, Linken und Grünen. In Thüringen und Sachsen-Anhalt liegt sie auf Platz 4, in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern auf Platz 3.

Wählerwanderungen
Die meisten Wähler sind der SPD (genauso wie der Union) an das Nichtwählerlager verloren gegangen (SPD: 2,0 Mio., Union: 2,4 Mio.; FDP: 1,6 Mio.; allein die Grünen konnten aus dem Nichtwählerlager Stimmen hinzugewinnen). Die zweithöchsten Abgänge erlebte die SPD in Richtung Grüne (1,3 Mio.; Union: 1,1 Mio.). An die AfD hingegen verlor die SPD lediglich 20.000 Wähler*innen (Union: 230.000, FDP: 110.000).

Zeitpunkt der Wahlentscheidung
Fast die Hälfte der Wähler von CDU/CSU gibt an, sich bereits vor längerer Zeit festgelegt zu haben bzw. generell für die Union zu stimmen, rund 30 Prozent gaben an, sich erst in den letzten Tagen oder am Wahltag für CDU/CSU entschieden zu haben. Nur bei der AfD lag der Anteil der Spätentscheider mit 26 Prozent noch niedriger. Bei der SPD waren es hingegen fast 40 Prozent Spätentscheider, ein ähnlich hoher Prozentsatz wie bei der Linken und etwas mehr als bei Grünenwählern.
Beteiligung: Rekordbeteiligungssprung
37.808.639 der 61.568.304 in Deutschland wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger nahmen an der Europawahl teil. Die Europawahlbeteiligung ist in Deutschland so stark wie noch nie zuvor gestiegen, um 13,3 Punkte. 61,4 Prozent der Wahlberechtigten nahmen an der Europawahl teil, die höchste Europawahl-Beteiligung seit der Wiedervereinigung.

13 deutsche Parteien im Europaparlament
Im neuen Europaparlament sind insgesamt 13 deutsche Parteien vertreten, neben den Bundestagsparteien die Freien Wähler, Piraten, Tierschutzpartei, Familie, ÖDP, Volt und DIE PARTEI. Von
den 96 deutschen Parlamentssitzen gehen 29 an CDU und CSU, 21 an die Grünen, 16 an die SPD. Die Linke entsendet 5, die AfD 11 Europaparlamentarier. Die FDP stellt 5 Abgeordnete. Alle anderen Parteien erhalten zusammen 9 Mandate, darunter die Freien Wähler und Die Partei mit jeweils 2 Mandaten sowie die Piraten, Tierschutz, Familie, ÖDP und Volt mit je einem Mandat.

Union und SPD mit ähnlich hohen Verlusten im Vergleich zur Bundestagswahl
Union und SPD verlieren gegenüber der Europawahl 2014 an Rückhalt, die Berliner Koalitionsparteien bleiben jedoch auch jeweils hinter ihren Wähleranteilen der Bundestagswahl zurück, die CDU/CSU 4,1 Punkte, die SPD 4,7 Punkte.

Wählerwanderung zur Bundestagswahl: Mobilisierungsverluste dominieren, Grüne ziehen Stimmen aus allen Lagern
Die meisten Bundestagswähler gehen Union, SPD und AfD durch die niedrigere Wahlbeteiligung verloren.

Im Wählerwanderungsmodell von infratest dimap büßt die Union 2.4 Mio., die SPD ca. 2.0 Mio. Bundestagswähler von 2017 an das Nichtwählerlager ein, die AfD verliert 2.0 Mio. Wähler durch die WahlANALYSE Europawahl 2019 inf ratest dimap WahlANALYSE Europa- (EP) und Bundestgswahl (BT) im Vergleich niedrige Wahlbeteiligung. Der FDP gehen zur Europawahl 1.6 Mio. Bundestagswähler durch die niedrigere Wahlbeteiligung verloren.
Die Linke büßt gegenüber September 2017 ca. 960.000 Stimmen durch Nichtwahl ein. Allein die Grünen können per Saldo ca. 100.000 Wähler aus dem Nichtwählerlager hinzugewinnen.

Zu ihren jeweiligen Mobilisierungsverlusten hinzukommen bei Union und SPD Wanderungseinbußen insbesondere gegenüber den Grünen (Union: -1.1 Mio.; SPD -1.3 Mio.) und den Anderen (Union: -590.000; SPD -360.000). Der Linken gehen ebenfalls in erkennbarem Umfang 2017er Bundestagswähler vornehmlich an die Grünen (-610.000) und an die Anderen (-570.000) verloren, ebenso den Liberalen (Grüne: -480.000; Sonstige: -420.000). Im Ergebnis ziehen die Grünen Bundestagswähler aus allen politischen Lagern an. Die AfD büßt im Austausch mit den Wettbewerbern ebenfalls an die Gruppe der Sonstigen ein (-220.000), mobilisiert aber zugleich 2017er Bundestagswähler vor allem von Union und (+230.000) und FDP (+110.000).

Langer SPD-Negativtrend
Die Doppel-Verluste zur Europa- und Bremenwahl setzen einen längeren Negativtrend für die Sozialdemokraten fort. Die SPD büßte in den vergangenen fünf Jahren bei 16 Wahlen Stimmenanteile ein, besonders deutlich 2016 in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg, 2018 in Bayern und Hessen sowie aktuell zur Europawahl. In Nordrhein-Westfalen wie auch in Schleswig-Holstein ging 2017 zudem das Ministerpräsidentenamt an die CDU verloren. Nur vier Mal verbesserte sich die SPD: zur 2014er Europawahl, in Sachsen (jeweils 2014), Rheinland-Pfalz (2016) sowie zur vorgezogenen Landtagswahl in Niedersachsen (2017). Ihr mit Abstand bestes Ergebnis erzielte die SPD 2015 unter Olaf Scholz zur Hamburger Bürgerschaftswahl mit deutlich mehr als 40 Prozent. Zugleich blieb sie seit 2014 aber vier Mal lediglich knapp über zehn Prozent (2014: Sachsen, Thüringen; 2016: Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg) und zuletzt in Bayern sogar nur einstellig.

Hohe Verluste in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Hamburg
Die SPD büßt gegenüber der letzten Europawahl in allen 16 Bundesländern Stimmenanteile ein, insbesondere in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Hamburg. Ihre vergleichsweise besten Europawahlergebnisse erzielt die SPD in Bremen, im Saarland und in Rheinland-Pfalz. Schwerer tut sie sich insbesondere in Sachsen und Bayern, wo sie einstellig abschließt.

Hohe zweistellige Einbußen in vielen Bevölkerungsgruppen
Die SPD verliert in fast allen Bevölkerungsgruppen zweistellig an Zustimmung, besonders deutlich bei den jüngeren, ebenso in der Gruppe der 45- bis 59jährigen. Zweistellige Einbußen betreffen aber auch Arbeiter, Angestellte, Beamte, Rentner und Arbeitslose. Bei den Arbeitern liegt die SPD hinter Union und AfD. Wie die CDU/CSU schneidet die SPD bei den Älteren noch vergleichsweise am besten ab. Allein bei den über 60jährigen liegt die SPD über 20 Prozent und steht besser als die Grünen da. Bei den 18- bis 24jährigen bleibt die SPD nur einstellig und liegt gleichauf mit Linken und FDP. Die Verluste sind in allen Bildungsgruppen ähnlich hoch, allerdings erreicht sie unter Wählern mit formal hoher Bildung nur noch 13 Prozent. Relativ am besten schneidet die SPD bei Wählern mit formal niedriger Bildung ab (23 Prozent).

SPD-Wahlmotive: Europapolitik steht im Vordergrund
Gleichwohl es sich um die Wahl zum Europaparlament handelt, orientierten sich immerhin vier von zehn SPD-Wählern nach eigenen Angaben bei ihrer Wahlentscheidung an der Bundespolitik. Für die Hälfte der SPD-Wähler stand allerdings die Europapolitik im Vordergrund. Im Vergleich zu vor fünf Jahren ist die Entscheidung der SPD-Wähler damit europäischer geworden. 2014 gaben noch 51 Prozent der SPDWähler an, sich in ihrer Entscheidung primär an bundespolitischen, 43 Prozent an europäischen Fragen auszurichten.

EU-Mitgliedschaft: für sieben von zehn SPD-Wählern von Vorteil
Das Gewicht europapolitischer Belange bei der SPD-Wahlentscheidung geht einher mit einer EU-freundlichen Haltung der SPD-Wähler. Nur 6 Prozent der SPD-Wähler bewertet die EU-Mitgliedschaft als nachteilig für Deutschland. Für sieben von zehn SPD-Wählern überwiegen dagegen die Vorteile der EUMitgliedschaft.

Wahlentscheidung für die SPD: für vier von zehn erst spät
Zur Europawahl entschieden sich vier von zehn SPD-Wählern erst am Wahlsonntag bzw. in den letzten Tagen vor der Europawahl für ihre Partei. Ebenso viele geben an, sich bereits vor längerer Zeit festgelegt zu haben bzw. generell für die SPD zu stimmen. Die SPD-Wähler legten sich damit ähnlich spät fest wie der Durchschnitt der deutschen Europawähler.